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SEXUELLE GEWALT 

& die Frau

Zahlen / Daten / Fakten

Frauen in Österreich verfügen über ein geringeres Einkommen (Gender Pay Gap), sie sind dreimal so häufig von Altersarmut betroffen (Gender Pension Gap) und haben weniger Finanzwissen als Männer. Das sind nur ein paar wenige von vielen aufrüttelnden Fakten zum Thema “Frauen und Geld”. Während der COVID-19-Pandemie gerieten Frauen aufgrund der Schließung von Kinderbetreuungseinrichtungen und der damit zunehmenden Belastung durch unbezahlte Care-Arbeit oder den Verlust des Arbeitsplatzes zusätzlich unter Druck.

 

Die Situation in Niederösterreich zeigt die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit dem Thema „Frau und Geld“ ebenso deutlich: Der Einkommensmedian laut Lohnsteuerzahler 2019 nach Alter, Geschlecht und Verwaltungsbezirk verdeutlicht, dass in keinem einzigen der 24 niederösterreichischen Verwaltungsbezirke Frauen, egal welcher Altersgruppe, gleich viel oder mehr verdienen als Männer. Den geringsten Unterschied zwischen den Geschlechtern gibt es in der Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen im Bezirk Mödling. Junge Frauen verdienen hier “nur” um  € 651 im Jahr weniger als Männer. Der Bezirk Amstetten sticht in gleich vier Altersgruppen mit den größten Abständen zwischen Frauen und Männern hervor und verdeutlicht somit eindrücklich, wie sich eine schlechte finanzielle Ausgangssituation wie ein roter Faden durch das gesamte Frauenleben zieht.

 

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass Frauen auf öffentliche Unterstützung angewiesen sind. Frauen zählen in allen Verwaltungsbezirken Niederösterreichs zu den Hauptbezieherinnen von bedarfsorientierter Mindest­sicherung. Viele von ihnen sind Alleinerzieherinnen, die auf Geldleistungen der öffentlichen Hand angewiesen sind, um sich und ihre Kinder finanziell über Wasser zu halten.

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Finanzkompetenz und Selbstbestimmung

Eine Steigerung der Finanzkompetenz von Frauen unterstützt sie dabei, ihr finanzielles Leben besser zu verwalten und in weiterer Folge ein unabhängiges, selbstbestimmtes Leben zu führen. Gerade in einer Zeit, in der die Zahl der Femizide einen traurigen Höhepunkt erreicht, ist es wichtig zu betonen, dass finanzielle Unabhängigkeit auch ein Mittel der Gewaltprävention ist. Denn unabhängige Frauen müssen nicht in gewaltvollen Beziehungen verweilen. Zusätzlich trägt eine stabile finanzielle Situation dazu bei, das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern in Wirtschaft und Gesellschaft zu verringern, wovon nachweislich Individuen wie auch die Gesamtgesellschaft profitieren. Dieses Projekt trägt somit auch zur Geschlechtergleichheit bei, eines der 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) der Vereinten Nationen.

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Ansatzpunkte

Es gibt viele Finanzbildungsformate und Studien zum Thema Finanzkompetenz von Frauen. Und dennoch erleben die Beraterinnen in den Frauen- und Mädchenberatungsstellen täglich, dass Frauen sich aus unterschiedlichen – auch sozialisationsbedingten Gründen – um ihre finanzielle Absicherung kümmern.

Die jahrelange Beratungsexpertise zeigt, dass es notwendig ist, Frauen in ihrer Lebensrealität abzuholen und lebensnahe, relevante Angebote machen zu können. Dementsprechend ist der Ansatzpunkt des Projekts “GeldHeldinnen” die unterschiedlichen Lebensphasen und die damit verbundenen Fallstricke in den Blick zu nehmen:

 

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Die Phasen im Leben einer Frau

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1. KINDHEIT UND SCHULZEIT

Sowohl die Herkunftsfamilie als auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen prägen das individuelle Finanzverhalten nachhaltig. Verinnerlichte Glaubenssätze finden unbewusst Eingang in die Finanzentscheidungen von Frauen. Die Auseinandersetzung mit folgenen Fragestellungen kann hilfreich sein, um diese "Überzeugungen", die Frauen als Kinder mitbekommen haben, zu verflüssigen und somit selbstbestimmte Entscheidungen zu fällen:

  • Welchen Stellenwert hat Geld in meiner Herkunftsfamilie eingenommen?

  • Wer hat in meiner Herkunftsfamilie das Geld verdient und wer hat es verwaltet?

  • Wusste meine Mutter, wieviel mein Vater verdiente und umgekehrt?

  • Wer übernahme die unbezahlte Care-Arbeit?

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In dieser Phase liegt der Finanzfokus auf

  • der Reflexion meiner Geldbiografie

  • die verinnerlichten Glaubenssätze und ihre Auswirkungen auf das Finanzverhalten

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2. BERUFSWAHL UND BERUFSTÄTIGKEIT

Zwei Drittel der weiblichen Lehrlinge wählen im Jahr 2020 einen typischen „Frauenberuf” (WKO 2020). Bei der Studienwahl bevorzugen Frauen Sozial- und Geisteswissenschaften. Diese Ausbildungs- und Berufswahl führt zu einer horizontalen Segregation des Arbeitsmarktes mit einer hohen Konzentration von Frauen in schlechter bezahlten Branchen (Statistik Austria 2018/2019). Bezogen auf die Einkommen von Frauen und Männern zählt Österreich mit einem Gender Pay Gap von 19,9 % zu den Ländern mit den höchsten Lohnunterschieden in der EU (EU-27: 2019).

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2019 üben lediglich 3,8 % der unselbständig erwerbstätigen Frauen eine führende Tätigkeit aus (vgl. 8,1 % der Männer). Selbst bei gleichen Bildungsabschlüssen sind Frauen stärker in mittleren Positionen vertreten, während Männer häufiger in Führungspositionen aufsteigen. Sogar in Frauen dominierten Bereichen sind überproportional mehr Männer in leitenden Positionen – man spricht von einer vertikalen Segregation des Arbeitsmarktes.

 

In dieser Phase liegt der Finanzfokus auf

  • der Berufswahl und dem erwartbaren Einkommen (Gender Pay Gap)

  • ersten Vereinbarkeitsüberlegungen

  • den unterschiedlichen Anstellungsverhältnissen und deren Auswirkungen

  • der “Teilzeitfalle” und

  • Umschulungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten

 

3. PARTNERSCHAFT UND ZUSAMMENLEBEN

In Österreich leben im Jahr 2020 1.751.000 Ehepaare und 420.000 Lebensgemeinschaften. Viele von diesen sind sich der unterschiedlichen finanziellen Rechte und Pflichten im Rahmen einer Lebensgemeinschaft bzw. einer Ehe nicht im Klaren. Die Gesamtscheidungsrate betrug im Jahr 2019 40,7 %. Frauen überschulden sich aufgrund von Bürgschaften und Mithaftungen nach einer Scheidung oder Trennung mit 17,2 % deutlich häufiger als Männer (12,1 %).

Laut einer europaweiten Studie hat in Österreich jede fünfte Frau seit ihrem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt durch ihren Partner, Ex-Partner oder Unbekannte er-lebt. Durch ökonomische Abhängigkeit erhöht sich das Risiko für Frauen von jeder Form von Gewalt betroffen zu sein. Finanzielle Unabhängigkeit ist ein Ausweg aus Gewaltbeziehungen.

 

In dieser Phase liegt der Finanzfokus auf

  • der Verteilung der gemeinsamen Kosten und unbezahlter Arbeit („Care-Arbeit“)

  • rechtlichen Rahmenbedingungen von Ehe und Lebensgemeinschaft

  • Formen von Häuslicher Gewalt (mit Fokus auf Finanzen)

  • Konsequenzen von Trennung und Scheidung

  • Spar- und Investitionsmöglichkeiten

  • Schulden und Haftungen

 

4. MUTTERSCHAFT UND VEREINBARKEIT VON BERUF UND FAMILIE

Knapp 48 % der Österreicherinnen gehen einer Teilzeitbeschäftigung nach. Bei Frauen im Alter von 25- bis 49 Jahren mit Kindern unter 15 Jahren steigt der Anteil sogar auf 74,3 %. Der Lebenseinkommensverlust von Müttern mit Kindern unter 14 Jahren beläuft sich auf bis zu € 1,3 Mrd. Die Corona-Pandemie verstärkt diese Tendenz, da viele Mütter aufgrund von Schließungen der Betreuungseinrichtungen und Schulen ihre Erwerbsarbeit weiter reduzieren oder aufgeben müssen. 90 % der Alleinerziehenden sind Frauen. Sie haben mit 46 % das höchste Armutsrisiko aller Haushaltstypen.

 

In dieser Phase liegt der Finanzfokus auf

  • Vereinbarkeit Beruf und Familie

  • Teilzeitarbeit und deren Auswirkungen

  • besondere Situation von Alleinerzieherinnen

  • Altersvorsorge (Pensionssplitting)

 

5. ALTERSVORSORGE

Wenn die Versorgungspflichten gegenüber den Kindern abnehmen und Frauen sich die eigene Altersvorsorge endlich kümmern könnte, kommt es häufig zu Pflegefällen in der eigenen Familie. In Österreich sind 947.000 Personen in die Pflege und Betreuung einer/eines Angehörigen involviert. Drei Viertel der Betreuungs- und Pflegeleistungen werden von Frauen übernommen. Ein Drittel dieser Frauen befindet sich im Alter zwischen 31 und 65 Jahren, die Hälfte von diesen geht keiner Berufstätigkeit nach - obwohl sie im erwerbsfähigen Alter sind.

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Im Jahr 2006 hatten rund 315.000 Frauen - also jede dritte Frau im Pensionsalter - keinen Anspruch auf eine eigene Pension. Frauen mit Eigenpension erhalten je nach Berechnung um 40 % bis 50 % weniger Pension als Männer. Das führt dazu, dass 67,9 % der Frauen Ausgleichs-zulage beziehen. 26 % der alleinlebende Pensionistinnen sind von Armut gefährdet (vgl. 14 % der Männer).

 

In dieser Phase liegt der Finanzfokus auf

  • der persönlichen Altersvorsorge

  • Pflege von Angehörigen

  • Vorsorge hinsichtlich eigener Krankheit und möglicher Berufsunfähigkeit

  • Finanzielle Absicherung, Finanzierungsbedarf und Vermeiden von Altersarmut

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